Montag, 28. September 2009

High Potentials für das Personalwesen?

Wie schafft es der Personaler, bei seinen Managementkollegen anerkannt zu sein? Da haben wir das erste Problem: Das Management sieht ihn wahrscheinlich gar nicht als Kollegen. Das kann er nur ändern, wenn er eine wesentliche Kompetenz demonstriert, das sogenannte "Business Acumen" (Geschäftsverständnis). Anders ausgedrückt: Wenn die Manager über ihr Geschäft reden, dann soll er mitreden können. Kann er aber nicht, wenn er den Weg über die klassische Personalerkarriere gemacht hat - vom Sachbearbeiter zum Gruppenleiter zum Personalleiter z.B. So was nennt sich "Kaminkarriere".

Vorschlag von Beratern: Man sollte den Personalabteilungsmitarbeitern, bevorzugt natürlich High Potentials, die Möglichkeit geben, eine WeileVerantwortung im operativen Geschäft zu übernehmen. Anschließend sollten diese Talente wieder zurückkehren ins Personalmanagement, dann können sie wirklich mitreden.

Dazu eine eigene Erfahrung. Ich bin in meiner "Konzernlaufbahn" im Rahmen eines Mitarbeiterentwicklungsgespräches mal gefragt worden: "Welche Position könnten Sie sich denn so in einigen Jahren vorstellen?" Meine erste Antwort (als Mitarbeiter in der Personalentwicklung): "Ich würde gerne mal Führungskräfte vor Ort coachen, sie bei ihrem Alltagsgeschäft begleiten und ihnen Rückmeldung über die Wirkung ihres Verhaltens geben."

Falsche Antwort. "Eine solche Position haben wir doch gar nicht." - "Ich weiß, aber Sie haben mich doch gefragt. Das wäre eine, die mich interessiert."

Gemeint war mit Position jedoch eine Stelle im Organigramm, was ich schon befürchtet hatte. "Naja, ich hätte da schon eine Idee. Ich könnte mir vorstellen, mal die Leitung eines Produktionsbetriebes zu übernehmen." Fassungsloses Schweigen. "Wenn Physiker, Ingenieure oder Betriebswirtschaftler mit ihren Kenntnissen die Produktion leiten können, warum soll dazu nicht auch ein Psychologe in der Lage sein? Die einen haben Ahnung von der Technik oder den betriebswirtschaftlichen Zahlen, ich kenne mich aus mit Menschen. Und davon gibt es in der Produktion doch genug."

Kopfschütteln. "Völlig illusorisch, so etwas hat es noch nie gegeben."

Wer weiß, was aus mir geworden wäre, hätte ich diese Gelegenheit bekommen. Ob ich zurück ins Personalwesen gegangen wäre? Ich fürchte eher nein. Vielleicht lässt man Personaler auch deshalb nicht in operative Bereiche wechseln - sie würden vermutlich nicht wiederkommen.

Rezension zum Thema
Mitten hinein ins Business, Personalmagazin 7/2009

6 Kommentare:

alexander reyss hat gesagt…

Ein interessanter und in die Zeit passender aktueller Beitrag. Unternehmen sind sich immer mehr bewusst, dass es schwieriger wird, die High Potential`s für ihr Unternehmen zu gewinnen. Aus meiner Sicht und Erfahrung werden die bisherigen Methoden zur Personalauswahl leider weiterhin dazu führen, das wirkliche "Stars" bzw. High Potentials durch das Sieb des Auswahlprozesses fallen, da diese Bewerber wie schon im Beitrag beschrieben, aussortiert werden, da Sie zu viele Ecken und Kanten haben. Ich mache seit Jahren mit der Reiss Profile Motivanalyse sehr gut Erfahrungen, die wirklichen High Performer von Morgen zu identifizieren.

Andreas Benkowitz hat gesagt…

Zwei Erfahrungen und zwei Kommentare dazu:
* in meiner Zeit als Personalchef habe ich zweimal Menschen aus dem operativen Geschäft in mein HR Team geholt, die noch heute sehr erfolgreich HR Arbeit machen (wenn Menschen wichtig für den Geschäftserfolg sind und HR die richtige Arbeit macht sollte das auch so sein). Und ich habe Menschen erlebt, die erst operativ, dann HR und dann wieder operativ tätig waren.
* es gibt durchaus Personaler, die heute erfolgreich im operativen Geschäft sind

* wenn die ehemaligen HR Hipos nach einem Wechsel im operativen Bereich bleiben muss ja nicht falsch sein: was spricht dagegen, dass ein HR Hipo erfolgreich im operativen Geschäft wird und dort den besten Beitrag bringt?
* ich bin überzeugt, dass Lernen dort am Besten geschieht, wo das Gelernte umgesetzt wird. Das bedeutet, dass HR das operative Geschäft dort am besten lernt, wo es geschieht: im operativen Geschäft. Wenn wir weiterhin davon überzeugt sind, dass gute HR Arbeit dem Unternehmen nützt, dann ist die Notwendigkeit vorhanden, dass HRler das operatives Geschäft sehr gut verstehen. Und dort können sie es am Besten lernen.

Johannes hat gesagt…

Hallo Herr Benkowitz,

in der Tat ein überzeugendes Argument: Wenn HR gute Leute anzieht, sie in den operativen Bereich "entlässt" und diese dort "einschlagen", hätte das nur positive Folgen für HR. Glückwunsch, wenn das bei Ihnen gelingt.

Mit freundlichen Grüßen
Johannes Thönneßen

Andreas Benkowitz hat gesagt…

Hallo Herr Thönneßen,

Danke für den Glückwunsch, aber das funktioniert, wenn auch nicht häufig genug, immer wieder.
Wobei es mir weniger um die Frage geht, ob es möglich ist, sondern wie gestalten wir Karrieren so, daß das leichter möglich ist.

Beste Grüße
Andreas Benkowitz
(übrigens ein begeisteter Leser Ihrer Blogs)

Anonym hat gesagt…

Ich kann mir gut einen Psychologen als Leiter einer Chemiefabrik vorstellen. Vor ungefähr 25 Jahren ging das den Physikern in der Chemieindustrie genauso. Beispiel ein Ex - Kollege: Irgendwann machte sich der Forschungsleiter, ein Chemiker, wahnsinnig beliebt bei den Physikern seines Unternehmens: Der hatte nämlich für Forschung im Umfeld der Informationstechnik jede Menge Physiker eingekauft und stellte dann nach ein paar Jahren öffentlich die Frage: was machen wir bloß mit den ganzen Physikern, wenn wir sie nicht mehr brauchen?

Kam super an. Als sich dann einer von denen auf die Leitung eines der chemischen Produktionsbetriebe bewarb, bekam er sie nicht. Erst der Betriebsrat monierte Fehler beim Auswahlverfahren und dann bekam er die Stelle. Da war er so erfolgreich, dass ihn die Agrochemieleute unbedingt für die Produktion haben wollten. Als dann im Rahmen einer Fusion die Bude geschlossen werden sollte, bewarb er sich auf einen Vertriebsleitungsposten der Sparte. Und wieder konnten sich die Chemikerchefs nicht vorstellen, dass das gut ging. Weil keiner der für diese Stelle angesprochenen Kollegen frecherweise die Stelle wollte, bekam er sie dann doch. Und - war erfolgreich. Warum? Weil er auf dem Bauernhof groß geworden war und die Sprache der Bauern sprach. Die hatten seit Langen zum ersten mal einen, der was von ihren Problemen verstand und der erste war, der von der Führungsriege mal in Gummistiefeln auf den Hof kam und selber wissen wollte, was los war.

Was lernen wir daraus? Gerade traditionelle Unternehmen wie die Chemieindustrie hatten extrem festgefahrene Vorstellungen davon, wie eine Stelle zu besetzen ist. Und da passten oft die Physiker nicht und so was wie Psychologen schon gar nicht.

Vincent hat gesagt…

Auch das Personalwesen braucht "Talente". Man kann nicht tun als wären alle beziehungsorientierte Personen dafür geeignet...