Dienstag, 18. August 2009

Der Patient als Kunde?

So manches Mal, wenn man vor dieser brusthohen Theke steht, hinter der die Sprechstundenhilfen mit gelben Zettelchen und Patientenakten sortieren, während sich die Schlange vor dem Tresen bis in den Gang erstreckt, überkommt einen mitunter der Gedanke: Ach, könnte man doch jetzt freundlich aber bestimmt sagen: "Ich sehe, Sie haben kein Interesse an mir als Kunde. Ich suche mir einen anderen Dienstleister!" Könnte ich ja, aber sieht das beim nächsten "Anbieter" besser aus?

Wäre das Konzept der Kundenorientierung der richtige Ansatz, um das Arzt-Patienten-Verhältnis neu zu gestalten? Ich habe so meine Zweifel.

Ein Nachmittag beim Augenarzt, der Besuch war nicht angekündigt, möglicherweise ein Notfall. Zuerst werde ich aufgeklärt, dass man an diesem Tag normalerweise nur Privatpatienten empfängt und ich doch am Vormittag hätte kommen können. Stimmt, aber da hatte ich das Problem noch nicht. Außerdem gäbe es schließlich den Notdienst, das wäre die richtige Anlaufstelle (für Kassenpatienten, denke ich, sage es aber nicht.)

Dann sitze ich im Wartezimmer, mir gegenüber ein weiterer Herr in meinem Alter. Der Arzt begrüßt ihn mit Handschlag, erkundigt sich nach seinem Wohlbefinden. Privatpatient, denke ich.

Nächste Szene, diesmal im Behandlungszimmer. Langer Vortrag über den ärztlichen Notdienst und dass es doch genügend Tage in der Woche mit freien Sprechzeiten gebe. Aber man sei ja nicht so, man würde sich ja selbstverständlich kümmern. Und ob ich nicht beim nächsten Termin eine (kostenpflichtige) Zusatzuntersuchung machen lassen wolle? Dann könne ich selbstverständlich wieder am Freitagnachmittag kommen. Meine Antwort "Ich überlege es mir" stößt auf wenig Verständnis, der Termin liegt auf einem Vormittag um 7.00 Uhr.

Nein, ich glaube nicht, dass ich als Kunde behandelt werden möchte. Ich würde gerne als Mensch behandelt werden. Wäre das nicht mal ein interessantes Managementmodell?
Menschenorientierung! Klingt doch gut, oder?

Rezension zum Thema:
Warten, bis der Arzt kommt, Financial Times Deutschland, medbiz 6/2009 S.15

4 Kommentare:

Ursula Podeswa hat gesagt…

Menschenorientierung wäre echt gut.

Aber im Augenblick glaube ich nicht daran, dass sich im schulmedizinischen Gesundheitswesen etwas ändert, so dass ich versuche, mich diesem völlig zu entziehen und auf alternative Heiler setze.

Anonym hat gesagt…

Menschenorientierung?

Aber das kostet doch Geld! So kann man nicht effizient und kostenbewusst wirtschaften.
Und darum geht es doch letztlich: ein Wirtschaftsunternehmen muss Gewinn erwirtschaften. Nicht nur im Gesundheitswesen.
Oder sollte ich die BWL-Absolventen und Wirtschaftsverbandspräsidenten, die das Wort "Gutmensch" als Beleidigung im Munde führen, irgendwie falsch verstanden haben?

Suchen Sie sich halt nächstes Mal ein Leiden aus, dass zu betriebswirtschaftlich sinnvollen Konditionen behandelbar ist ... Wo kommen wir sonst hin in der Welt!

Johannes hat gesagt…

Ein guter Rat, werde mich beim nächsten Mal anstrengen :-)

Johannes Thönneßen

Petra Wagner hat gesagt…

Danke! Das ist genau ein Wort, was mir gefehlt hat! Menschenorientierung! Ja, auf jeden Fall. (Sitze derzeit an Texten über meine Dienstleistungen für Internet nd Presse, daher (auch) meine Freude über dieses treffende Wort.) Ist für mich sehr wichtig bei der Arzt-/Spitalwahl. Bin fündig geworden und kenne daher auch positive Beispiele. Habe morgen z.B. einen Termin beim Geschäftsführer eines Spitals, der offen für Kritik und Verbesserungsvorschläge ist und wo (noch) wirkliche Menschen arbeiten. Da wird Ihr Wort auch sehr gut passen;-)

Empfehle gerne die vor kurzem gestartete Patienten-Community auf XING. Eingestellt von "Praxis-Total". Deren Ziel ist es, dass Patienten u.a. unbedingt wieder als Mensch behandelt werden.

Ich selbst kann aus langjähriger persönlicher und beruflicher Erfahrung Bücher schreiben, wie man es eben nicht macht. Und wie verletzend manche Worte/Taten/Behandlungen auch sein können.
Das muss nicht sein! Daher mein Anliegen, die Menschlichkeit wieder zu fordern und zu fördern. Von allen!

Herzliche Grüsse aus der Schweiz
Petra Wagner

PS: Sie sehen, wie man mit Kleinigkeiten - ein Wort zur Verfügung stellen - einem Menschen eine Freude machen kann. Das ist ebenso menschlich;-)