Dienstag, 27. Mai 2008

Was Trainer erfahren

Die Trainer unter den MWonline-Lesern werden das kennen. Man hat eine Gruppe eines Unternehmens vor sich, mit der man mehrere Tag arbeitet. Im Laufe des Seminars und oft auch noch am Abend plaudern die Teilnehmer aus dem Nähkästchen: Wie es so zugeht im Unternehmen, wie es um die Wertschätzung der Mitarbeiter bestellt ist, wie man sich informiert fühlt, welchen Eindruck der neue Vorstand macht und welche Gerüchte über eine erneute Umstrukturierung die Runde machen. Und selbst wenn die Informationen wenig konkret sind: Trainer bekommen sehr hautnah die allgemeine Stimmung mit.

Bei einem Seminar erzählten mir Teilnehmer von dem Versuch der Unternehmensleitung, ein Leitbild aufzusetzen und die Identifikation mit dem Unternehmen zu verbessern. Der Ansatz wurde als extrem unglaubwürdig empfunden, weil gleichzeitig Gerüchte über Verkäufe ganzer Bereiche im Umlauf waren.

Das Wissen der Trainer nutzen?

Schon oft habe ich gedacht: Warum fragen die Auftraggeber nicht nach einer Veranstaltung, welchen Eindruck der Trainer gewonnen hat? Verpasst man hier nicht eine gute Gelegenheit, so manche Mitarbeiterbefragung überflüssig zu machen?

Die bittere Wahrheit ist: Es interessiert niemanden. Die Weiterbildungsabteilung vergibt den Auftrag, die Mitarbeiter zu qualifizieren, mit der Durchführung der Maßnahme ist dieser Auftrag erfüllt. Was sollte sie mit dem Wissen um die Befindlichkeit der Mitarbeiter schon anfangen?
Noch wahrscheinlicher: Genau dieses Wissen hat man in den für Weiterbildung zuständigen Bereichen längst und dabei die Erfahrung gemacht, dass es weder in der eigenen Hierarchie noch in den Top-Etagen auf Interesse stößt. Also wozu Erkundigungen bei den Trainern einholen? Noch mehr Wissen, das in den Schubladen verschwindet.
So frustrierend es auch ist: Die Idee, Trainer als Berater für die Organisation zu nutzen, ist nur gut gemeint. Mehr leider nicht.

Rezension zum Thema:
Wie Unternehmen Trainer als Berater nutzen! Wirtschaft und Weiterbildung 5/2008

Samstag, 24. Mai 2008

Allzweckwaffe Mitarbeiterbeurteilung

Da habe ich eine kleine Diskussion losgetreten, die nach Fortsetzung schreit. In einem MWonline-Spezial habe ich mich ziemlich kritisch zu den gängigen Beurteilungssystemen und Kompetenzmodellen geäußert. Um das an dieser Stelle noch einmal aufzugreifen: Natürlich bin ich auch der Meinung, dass Führungskräfte in ihrer Arbeit durch "Werkzeuge" unterstützt werden sollten, und dass dies die Aufgabe von Personalern ist. Allerdings halte ich es für einen groben Irrtum zu glauben, dass Instrumente aus schlechten Führungskräften gute machen. Mehr noch: Instrumente helfen ihnen nicht mal.

Es ist wie mit einem Handwerker: Drücken Sie einem schlechten Handwerker ein hochkomplexes Werkzeug in die Hand und legen Sie eine ausführliche Bedienungsanleitung dazu. Wird er damit Erfolg haben? Wenn überhaupt, dann sollte man sehr einfach zu handhabende, quasi narrensichere Tools entwickeln. Stattdessen, und das ist das eigentliche Dilemma von Beurteilungssystemen, bastelt man Universalinstrumente, so eine Art "Hammerzangenschraubendreherschlüssel" und schult dann Führungskräfte in halbtägigen Workshops. Anschließend sollen sie diese Verfahren anwenden, damit Potenzial beurteilen, Leistung beurteilen, Zielerreichung messen und Prämien verteilen. Und so ganz nebenbei auch noch Entwicklungsmaßnahmen festlegen und Feedback geben. Merkt denn niemand der Vertreter solcher Instrumente, wie unsinnig das ist?

Nebenbei gesagt sind die meisten dieser Verfahren auch noch schlecht gemacht. Nicht genug damit, dass die schlechten Führungskräfte dann mit schlechten Verfahren arbeiten müssen, auch die guten müssen sich damit herumärgern. Bitter, oder? Da will man schwache Führungskräfte dazu kriegen, ihren Job gut zu machen und vergrault auch noch die besseren.

Wer sich in die Diskussion einmischen möchte, findet hier Ausschnitte aus meinem E-Mail-Dialog mit Professor Heinz Knebel. Bin gespannt.

Montag, 19. Mai 2008

Einem Kunden kündigen?

Manchmal gibt es Kunden, die ach so wichtig, ja gerade unverzichtbar zu sein scheinen. Doch bei näherem Hinsehen stellt sich heraus, dass es weitaus teurer ist, sie zu halten als sich von ihnen zu trennen. Eine leichte Entscheidung, sollte man meinen, oder? Ein Beitrag in der Harvard Business Review 4/2008 (The Right Way to Manage Unprofitable Customers) erklärt uns in der so typischen Art der HBR, wie man Schritt für Schritt vorgehen sollte, ehe man sich endgültig von einem Kunden trennt, aber dass dieses Vorgehen auch seine Risiken hat.

Eine Nummer kleiner, aber nicht minder spannend, weil in der Regel existenziell, erscheint es, wenn ein Trainer sich entschließt, sich von einem Kunden zu lösen. Vor Kurzem erhielt ich eine Mail von einem Trainer, der schrieb:
"Nach längerem Prozess hab ich mich von einem großen Auftraggeber getrennt (einer, wo "man" eigentlich nie geht, weil sich -zig Trainerkollegen alle Finger ablecken würden nach "so einem Namen" in den Referenzen!) Aber ich konnte nicht mehr in den Spiegel schauen, ich wollte mir wieder treu sein bzw. werden. War ein guter Entschluss."

Die gleiche Geschichte haben ich schon einmal von einem anderen Kollegen gehört und damals schon gedacht: Würde es doch mehr von der Sorte geben..."

Die Realität sieht aber leider meist etwas anders aus. Da trifft man abends an der Hotelbar einen Kollegen, der sich bitter darüber beklagt, dass sein Auftraggeber mal wieder das Programm geändert habe. So könne man es glatt vergessen. Überhaupt, bei den ersten Veranstaltungen sei noch ein Vertreter des Managements angereist, von wegen Flagge zeigen und Vorbild sein. Alles Schnee von gestern, jetzt habe er es mit jungen und schon reichlich demotiveren Managern zu tun, ohne allzu großen Nutzen.

Auf die Frage: "Wenn das alles so schrecklich ist - warum lehnen Sie den Auftrag nicht ab?" kam die befürchtete Antwort. Sie wissen schon...

Rezension zum Thema:
The Right Way to Manage Unprofitable Customers, Harvard Business Review 4/2008

Sonntag, 11. Mai 2008

Die Wissenschaft hat festgestellt

Wussten Sie, dass es zwischen Körpergröße und Gehalt einen statistischen Zusammenhang gibt? 10cm bringen 2.000 Euro mehr Jahresgehalt. Manager, die moderat trinken, verdienen mehr als jene, die ganz auf Alkohol verzichten. Ein markantes Kinn steigert die Chance auf eine Karriere.

Ganz aufregend ist diese Erkenntnis: Manager, deren Frauen sich um den Haushalt kümmern, verdienen mehr als die verheirateten Männer mit berufstätigen Frauen. Hey, was man daraus alles machen kann. Genauer angeschaut, relativiert sich die Aussage aber: 59% der verheirateten Männer verdienen mehr, wenn die Frauen nicht arbeiten. Die 9% haben offensichtlich Vorgesetzte, die wahre Kerle schätzen, deren Frauen sich um Heim und Herd kümmern. Ohne Worte.

Und schließlich: Manager, die sich wie Diktatoren aufführen, werden rascher befördert. Sie haben wahrscheinlich die gleichen Chefs. Woher diese Weisheiten stammen? Aus der Wirtschaftswoche 17/2008, die allen Ernstes behauptet, das seien "wissenschaftliche Erkenntnisse".

Dazu passt doch auch diese Meldung aus der Financial Times Deutschland vom 15.4.2008: Da haben Wissenschaftler den Speicheln von sage und schreibe 17 Londoner Finanzhändlern an acht Tagen (!) untersucht, und zwar morgens und abends. Sie stellten fest, dass die "Börsianer mit hohen morgendlichen Testosteronwerten oft mehr Geld verdienten als andere." Irre, oder? Empfehlung der Autoren: Theorien zur Entscheidungsfindung im Finanzhandel sollten die hormonellen Veränderungen mit berücksichtigen.

Wie wäre es damit, einmal den Marmeladenkonsum zum Frühstück von fünf Vorstandsvorsitzenden mit dem Börsenwert ihres Unternehmens zu vergleichen? Vielleicht sind die Werte von Orangenmarmelade futternden (britischen) CEOs ja deutlich besser als diejenigen von Pflaumenmus konsumierenden (deutschen) Vorstandsvorsitzenden?

Rezension zum Thema:
So sieht Erfolg aus, Wirtschaftswoche 17/2008

Samstag, 10. Mai 2008

Das Leben ist komplex - zu komplex?

Anstoß für diesen Beitrag ist ein Artikel von Fredmund Malik in der Beilage perspektiven des Handelsblattes vom 2.Mai 2008 (Herr der Komplexität). Darin erkärt er nicht zum ersten Mal, dass moderne Unternehmen, die moderne Wirtschaftswelt schlechthin so komplex geworden ist, dass man sie unmöglich mit den herkömmlichen Mitteln beherrschen kann. Nein, sie ist mit überhaupt keinen Mitteln "beherrschbar". Was unmittelbar zu der Konsequenz führt, dass der Versuch, moderne Unternehmen zu kontrollieren und zu steuern, schon lächerlich ist. Alles, was Manager tun können, ist, Rahmenbedingungen zu schaffen, innerhalb derer sich die Organisation selbst weiter entwickelt. Und diese Entwicklung nicht zu behindern.

Schön wäre es, dachte ich beim Lesen, wenn das mit der Selbstorganisation auch im eigenen Leben klappen könnte. Das nämlich, so mein Eindruck, ist inzwischen auch so komplex geworden, dass jegliche Übersicht verloren geht. Auch hier scheint zu gelten, dass der Versuch, den Überblick zu behalten, schon lächerlich ist. Wieso?

Ich bin überfordert

Früher schaltete man den Fernseher ein, stand auf, wenn man das Programm wechseln wollte und schaltete um. Heute sendet mir mein Kabelfernsehanbieter eine Box ins Haus, die ich selbst einrichten und mit einer gesonderten Fernbedienung betätigen muss. Daneben liegt die Fernsteuerung des Fernsehers, des DVD-Players und des Videorekorders (ja, so ein Altertümchen haben wir noch.) Per Handy kann ich angeblich Filme bestellen, irgendwie wird das Ganze auch abgerechnet.

Ich hätte dazu gerne mal einen Vertrag in den Händen, auf Anruf kommen dann drei Briefe, von denen sich zwei widersprechen. Ein Beweis, dass das Unternehmen längst den Überblick verloren hat. Wie soll ich ihn dann haben? Bis jetzt ist die Box noch nicht angeschlossen, ich habe drei Monate Zeit, einen speziellen Tarif zu kündigen. Wetten, ich vergesse es?

Beinahe täglich habe ich Werbebriefe von Telefondienstleistern im Briefkasten, über die ich offensichtlich auch meine Fernsehprogramme beziehen kann - und umgekehrt. Ich werfe sie weg und hoffe, ich übersehe dabei die Rechnung nicht.

Mein Versicherer lässt meinen Briefkasten überquellen mit Briefen, aus denen der aktuelle Stand meiner Haftpflicht-, Unfall-, Lebens-, Hausrat-, Auto-, Hundehaftpflicht... und was weiß ich nicht noch an Versicherungen hervorgehen soll. Ich verstehe die Briefe nicht und hefte sie ab. Meistens.

Für das Online-Banking habe ich eine Pin-Nummer, für meine Geldkarte auch, ebenso für zwei Kreditkarten, die Miles-and-More-Karte und, und, und... Ich behalte sie nicht und stehe im Urlaub auch mal ohne Geld da.

Auf weitere Beispiele verzichte ich, ich verstehe die Menschen, die sich Bücher mit dem Titel "Simplify your life" kaufen. Ich gestehe, dass ich keines von ihnen gelesen habe, weil ich davon überzeugt bin, dass man Komplexität eben nicht vereinfachen kann.

Aber vielleicht sollte man einen "Komplexitätsgeschädigten Verein e.V." gründen, eine Art Selbsthilfegruppe für alle, die sich restlos überfordert fühlen und in der Vielfalt unterzugehen drohen. Wäre doch ein Versuch wert, oder?

Rezension zum Thema:
Herr der Komplexität, Handelsblatt vom 2.5.2008

Dienstag, 6. Mai 2008

Wir Deutschen sind komisch, oder?

Immer, wenn ich einen Artikel lese, der mir erklärt, wie man sich in Verhandlungen oder bei der Gestaltung von Geschäftsbeziehungen mit Mitgliedern anderer Kulturen zu verhalten habe, wird mir erklärt, dass man nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen sollte, sondern dass es das Allerwichtigste ist, Vertrauen aufzubauen, Beziehungen herzustellen und zu pflegen. Der Ausländer als solcher ist meist sehr pikiert, wenn der Deutsche gleich zu Sache geht.

Okay, das klingt jetzt schon arg klischeehaft. Vielleicht bin ich auch ein Opfer meiner selektiven Wahrnehmung. Engländer pflegen erst einmal den Small Talk, in Asien ist es ganz verpönt, gleich über das Geschäft zu reden. In Frankreich macht man es frühestens nach dem Essen, in ganz Osteuropa steht die Beziehung an erster Stelle, in arabischen Ländern sowieso. Das gilt auch für Schweden, wie ich kürzlich las. Was bleibt da eigentlich noch? Stellt sich für mich die Frage: Sind wir Deutschen da so ganz anders? Nüchtern, sachlich, direkt auf den Punkt kommend?

Irgendwie lässt mich die Frage nicht mehr los: Gibt es noch irgendwo auf der Welt ein Volk, das gerne gleich zum Thema kommt? Ich gestehe nämlich, dass ich es schon arg anstrengend finde, wenn man erst mal gemeinsam besoffen unter einem Tisch gelegen haben muss, ehe man auf den eigentlichen Anlass eines Treffens kommt. Aber vielleicht verstehe ich das ja ganz falsch: Die Beziehung ist der eigentliche Anlass, das Geschäft bzw. das Sachthema nur Beiwerk. Vielleicht ist es ja das, was wir Deutschen noch nicht begriffen haben.

Rezension zu dem Thema:
Scharf verhandeln in Korea, Handelsblatt vom 2.5.2008

Samstag, 3. Mai 2008

Warum Menschen selbstständig werden

Feine Geschichten, die man gerne liest: Junger Mensch gründet ein Unternehmen, bricht sein Studium ab und wird Millionär. Botschaft: Man muss nur fest an sich glauben, dann klappt das schon. Denkste, es ist alles ganz anders, zumindest für die Mehrzahl der Unternehmensgründer. Wie ein neues Buch des Amerikaners Scott Shane (The Illusions of Entrepreneurship) darlegt, scheitern die meisten Gründungen aus unterschiedlichsten Gründen. Der wichtigste: Es fehlt die durchschlagende Idee. Ohne die Marktlücke, den außergewöhnlichen Service oder ein neues Produkt hat man schlechte Karten. Ist jetzt nicht wirklich überraschend.

Warum gründen Menschen denn überhaupt ein Unternehmen? Antwort: Die meisten, weil sie keinen Chef haben möchten. Und in der Regel sind das auch ältere Semester, im Schnitt zwischen 35 und 44. Sie schätzen Unabhängigkeit mehr als Geld, denn Gründer verdienen in aller Regel deutlich weniger als Angestellte. Dafür arbeiten sie wesentlich mehr: Ca. 15 Stunden pro Woche.

Und wissen Sie was? Genau so ist es! Im MWonline-Netzwerk kenne ich einige, die als Angestellte keine schlechte Position bekleideten, ein ordentliches Gehalt bezogen und am Wochenende "Feierabend" hatten. Aus und vorbei. Mehr Arbeit, weniger Gehalt, alle über 40 Jahre alt. Aber ohne Chef. Erstaunlich, wie viel man dafür in Kauf nimmt.

Rezension zu dem Thema:
Viele Gründer starten ohne Idee, Wirtschaftswoche 16/2008