Sonntag, 13. April 2008

Alles wird schneller

Schluck. Kennen Sie das? Sie glauben, das Handy in der Tasche habe vibriert und fingern es hastig heraus - nichts. Eine haptische Täuschung und ein Alarmsignal: Sind wir schon so abhängig von den kleinen Geräten, dass wir in Panik verfallen, wenn wir einmal nicht sofort reagieren können? Ein Beitrag in der Wirtschaftswoche erzählt die Geschichte eines Managers, der kollabierte, als er seinen Blackberry im Urlaub verlor. Er zeigte klassische Entzugserscheinungen und musste im Krankenhaus mit Beruhigungsmitteln behandelt werden.

Ich bekenne, dass ich arg gefährdet bin. Immer wieder zuckt mein Finger zur Maus, um mal eben nach Mails zu schauen, und der Laptop ist schon vor dem Frühstück aufgeklappt. Was ist denn mit uns los? Vor nicht allzu langer Zeit sind die Menschen morgens zur Arbeit gefahren, haben mehr oder weniger intensiv acht Stunden Arbeitszeit genutzt, sind dann nach Hause gegangen und hatten so etwas wie Freizeit.

FREIZEIT? Was ist das? Was hierunter einmal verstanden wurde, wird heute genau so verplant wie ARBEITSZEIT. "Wie wär's mit 'ner Stunde Tennis?" - "Moment, muss mal in meinen Terminkalender schauen. Ginge evtl. nächsten Dienstag, zwischen 19.00 und 21.00 Uhr ist noch ein 'Time-Slot' (oder auch 'Zeitfenster')!" Aha...

Tatsächlich leben wir in einer Zeit der Zeitbeschleuniger. Eine interessante Perspektive. Mikrowelle und Schnellkochtöpfe, Fernbedienungen für alle Geräte, die bald durch Sprachbefehle abgelöst werden. Aber es wird nicht nur alles schneller, wir versuchen auch, möglichst mehrere Dinge parallel "abzuarbeiten". Früher fuhren wir mit dem Auto und schauten in die Landschaft, heute hören wir Hörbücher oder erledigen Telefonate. Im Fitness-Center schauen wir Börsennachrichten, während wir auf dem Rad sitzen. Während wir an einem Text arbeiten, empfangen wir "instant-messages" und chatten mit Kollegen.

Wohl dem, der "multitasking-fähig" ist. Aber ist das überhaupt jemand? Exerimente haben gezeigt, dass unser Gehirn eben genau das nicht kann, mit der Folge, dass wir oberflächlich arbeiten und Fehler machen. Jede Unterbrechung führt nur dazu, dass wir uns wieder neu in den einmal begonnenen Vorgang eindenken müssen. Dürfte uns ja eigentlich gar nicht wundern, der gesunde Menschenverstand sagt uns schon, dass wir entweder ganz oder gar nicht bei einer Sache sein sollten, alles andere ist eben - halbherzig. Müssen wir uns wundern, wenn Salz an den Kartoffeln fehlt, weil wir während des Kochvorgangs diverse Telefonate abgearbeitet haben?

Meine Konsequenz? Tja, gerade habe ich Outlook geschlossen, um der Versuchung zu widerstehen, mal eben nach Mails zu schauen. Fürchte aber, dass ich, nach Beendigung dieses Beitrags, das Programm wieder öffnen werde. Suchtverhalten...

Rezensionen zum Thema:
"Ich schalt' dann mal ab" und "Karriere machen die Flexiblen", Wirtschaftswoche 13/2008

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