Samstag, 23. Februar 2008

Verpfiffen

Ich las gerade einen Artikel über Hinweisgebersysteme. Sie wissen nicht, was das ist? Vielleicht sagt Ihnen der Begriff "Whistleblowing" etwas. Genau, es geht darum, Menschen dazu zu bewegen, Missstände kund zu tun. Anders ausgedrückt: Wie schafft man es, dass Mitarbeiter, die im Unternehmen beobachten, dass andere, z.B. Vorgesetzte oder Kollegen, etwas unterschlagen, mitgehen lassen, sich bestechen lassen, Preise absprechen usw., dieses Wissen weitergeben?

US-Unternehmen sind verpflichtet, wirksame Kontrollsysteme einzurichten, dazu gehören u.a. Whistleblowing-Telefon- oder E-Mail-Hotlines. Dort können anonyme Hinweise abgegeben werden, diese Hinweise werden vertraulich gehandhabt.

Die Sache hat einen faden Beigeschmack, oder? Und ich werde den Verdacht nicht los, dass die interessante Häufung von aufgedeckten Skandalen in den letzten Tagen etwas mit diesem Phänomen zu tun hat. Da stolpert ein Dax-Vorstand über "Stiftungsgelder" in Liechtenstein, ein Sparkassenvorstand stürzt über einen Fernseher (!), bekannte Kosmetikkonzerne wie Henkel und Unilever werden mit Millionenstrafen für Kartellabsprachen belegt.

Gute Zeiten für alle, die mit irgend jemandem noch eine offene Rechnung haben. Nicht jeder von ihnen wird mit Steuergeldern zum Millionär gemacht, und nicht jeder wird so berühmt wie jene Sharron Watkins, die den Enron-Skandal aufdeckte. Und manch einer wird für seinen Mut sicher alles andere als belohnt, sondern als Nestbeschmutzer geächtet. Ein kniffliges Thema. Ich tendierte dazu, dass jemand, der einen Missstand entdeckt, den Mut haben sollte, ihn offen anzusprechen. Und wenn das keine Wirkung erzielt, den nächsten Schritt anzukündigen und ihn auch konsequent zu gehen. Das erfordert viel Mut, und ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn hätte. Aber was ist die Alternative?

Ich habe leider schon häufiger erlebt, dass Menschen ein kriminelles oder auch "nur" unethisches Verhalten gemeldet haben, aber darauf bestanden, nicht genannt zu werden. Anonymes "Whistleblowing" eben. Damit saßen die Verantwortlichen in der Klemme und mussten ohne diese "Zeugen" der Sache nachgehen. Und ebenso oft blieben sie auf den Anschuldigungen sitzen und konnten nichts nachweisen. Man kann sich vorstellen, welche Atmosphäre in dem Bereich herrschte.

Nein, ich sehe keine Lösung außer der, von vornherein eine Kultur der Offenheit und des Vertrauens zu schaffen, die es den Menschen einer Organisation ermöglicht, andere auf ihr Verhalten direkt anzusprechen und - wenn erforderlich - zu den Vorwürfen zu stehen.
Wo diese Kultur nicht existiert, bleibt man auf anonyme Hinweise angewiesen. Kein schöner Zustand.

Rezension zum Thema:
Whistleblowing - Herausforderung für die Personalarbeit, Personalwirtschaft 12/2007

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