Freitag, 18. Januar 2008

Unsinn Kopfnoten

Was für ein böser Irrtum. Da hatte ich angenommen, als selbstständiger Unternehmer endgültig und für alle Zeiten von dem Unsinn der Beurteilungssysteme befreit zu sein, da kommen meine Kinder mit "Kopfnoten" nach Hause. Ich könnte in die Tischkante beißen. Schlimm genug, dass komplexe Leistungen in einfache Noten gepresst werden, aber immerhin - man kann es noch einigermaßen nachvollziehen, wenn mehrere Tests geschrieben wurden und am Ende daraus ein Gesamtwert gebildet wird.

Aber jetzt werden auf einmal wieder Fähigkeiten beurteilt. Dinge wie "Selbstständigkeit" oder "Kooperationsfähigkeit". Oder sogar "Bereitschaften": "Verantwortungsbereitschaft" und "Leistungsbereitschaft". Hier sollen also Lehrer Merkmale der Persönlichkeit meiner Kinder in eine Note packen zwischen "sehr gut" und "unbefriedigend". Es fordert doch auch niemand von ihnen, die generelle "Mathematikfähigkeit" oder die "Sportbereitschaft" einzuschätzen.

Nicht zu fassen: Da versuchen Unternehmen seit Jahren, Ergebnisse entsprechend der Zielvorgaben zu bewerten oder, wenn es denn unbedingt sein muss, Verhalten zu bewerten und kommen damit schon nicht klar. Und Lehrer sollen nun die Persönlichkeitseigenschaften ganzer Heerscharen von Kindern beurteilen?

Mitleid für Lehrer

Was heißt es z.B., wenn ein Schüler "den Anforderungen in besonderem Maße entspricht", die da lauten: "...bringen Vorschläge zur Bearbeitung und Lösung von Aufgaben ein und übernehmen Arbeit" - ein Indikator für Kooperationsfähigkeit.
Oder: "nehmen Aufgaben und Pflichten für die Gruppe wahr" - ein Indikator für Verantwortungsbereitschaft. Und wie, bitteschön, sollen Lehrer z.B. diese beiden auseinanderhalten? (aus der "Handreichung" des Schulministeriums NRW). Auch wenn sie mir leid tun, die Lehrer, aber ich wünsche mir, dass die Eltern in Scharen um einen Gesprächstermin bitten und sich genau erklären lassen, was hinter jeder einzelnen Beurteilung steckt. Und am besten die Schüler gleich auch noch mal.

Es scheint, als habe es auf dem Gebiet der Beurteilung von Menschen keinerlei Fortschritte gegeben und es wird weiterhin viel Arbeit und Zeit investiert, um die gleichen miesen Systeme zu schaffen, mit denen sich dann die bemitleidenswerten "Beurteiler" herumschlagen müssen.

Nur um das klar zu stellen: Ich bin keinesfalls dagegen, Lehrern, Führungskräften, Ausbildern, Dozenten und anderen Menschen, die sich ein Bild von den ihnen Anvertrauten machen können, die Möglichkeit einzuräumen, ihr Bild zu formulieren und auch eine Bewertung vorzunehmen. Und ich bin davon überzeugt, dass diese das sowohl können als auch sehr gewissenhaft machen würden - gäbe man ihnen nur die Gelegenheit und die Zeit dazu.
Aber wer befreit uns endlich von dem Irrglauben der Messbarkeit von Persönlichkeitseigenschaften??

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Interessanter Ansatz..... aber leider auch nur auf den ersten Blick.....

Jeder Vater und jede Mutter (falls es solche in Schulministerien auch geben sollte? ;-) wären gut damit beraten zunächst erst einmal die genannten Kern-Kompetenzen für sich selbst in Bezug auf die eigene Person zu hinterfragen - und gleichzeitig zu reflektieren, wie man selbst eigentlich mit Unvollkommenheit konfliktfrei und offen umgeht....? (denn nobody is perfect ;-)

Als Zweites wäre zunächst doch einmal bitteschön das jeweilige familiäre Leit-Bild zu klären, d.h. aus welcher persönlich motivierten Vor-Sicht und auch Rück-Sicht man als Eltern welche Wert-Maßstäbe an die Entwicklungs-Förderung der eigenen Kinder legt. Denn Kinder SINN-voll dabei zu unter-stützen sich zu ent-wicklen (wie ein Wollknäuel) ist etwas anderes als Kinder zu er-ziehen und sie dabei evtl. sogar zu er-drücken, was leicht in der häuslichen Alltags-Hektik gerade in Doppelverdiener-Familien vorkommen kann... ;-))

Dann wäre da noch die Frage zu klären, wie man den Kindern und Jugendlichen in Familie und natürlich auch der Schule als Hilfe zur Selbsthilfe aktiv bei-steht, um ihnen erst einmal ein gerüttelt Maß an Orientierung zu ermöglichen im Sinne von charakterlicher Selbst-Findung , Selbst-Bewußtsein, Selbst-Vertrauen und zu guter Letzt Selbst-Wert. Denn wer als Kind nicht frühzeitig sich selbst zu wert-schätzen gelernt hat, kann mit dieser positiven Eigenschaft jetzt und erst recht auch nicht später anderen Menschen die Hand reichen - und gerade daran krankt ja zunehmend die heutige (zumindest deutsche) Gesellschaft. D.h. erst das Kind / der Jugendliche, der/die seine/ihre eigenen Stärken positiv er-lebt, wird auch die anderen Stärken seiner Peers aner-kennen, um sich gegenseitig zu befruchten sowie daraus gegenseitigen Respekt und gemeinsame Wert-Schöpfung (im Sinne von 1+1=3) zu entwicklen - in der Familie, in der Schule, im Verein, im Beruf, unter Freunden, wo auch immer.....

"Denn nur Systeme, sei es der Einzelne, die Familie, Schule, der Betrieb oder die Gesellschaft als Ganze, die intern eine gewisse Vielfalt aufweisen und gelernt haben, mit dieser Vielfalt umzugehen, sind auch anpassungsfähig an sich verändernde Umweltbedingungen und können dementsprechend flexibel auf den Wandel und die Herausforderungen der Zeit reagieren."

Mehr hierzu unter: http://www.respectresearchgroup.org/respekt_650__Warum_uns_Respekt_wichtig_ist.htm


Fazit: Zwecks angeblicher Schärfung des Lehrer-Blickes bezüglich der individuellen Stärken eines Kindes verspricht die Auflistung des Schulministeriums dem Herzen und gesunden Menschenverstand eines Lehrers (und der Eltern) wenig echten sozialen Erkenntniszugewinn....
Anstatt daher mit Schulnoten die Einzelkompetenzen der Kinder singulär zu beurteilen, sollten Eltern wie Lehrer (und im späteren Leben natürlich auch die Führungskräfte) die gemeinsam befruchtende Steuerung von sozialen Systemen (Klassenverband, AGs, Verein, Projektgruppen etc.) in den gedanklichen Vordergrund stellen anstatt aus unseren Kindern eine zum Schluß doch nur mittelmäßige eierlegende Komptenz-Wollmichsau machen zu wollen..... ;-)


Gruß eines vierfachen Vaters und Führungskraft in einem weltweit agierenden Konzern.